Freitag, 21. August 2009

Fluggeschichten

Endlich ist es Sommer geworden… nein, nicht in Argentinien, in Deutschland! Ich bin in meinem 2. Heimurlaub und kann endlich mal ein paar Sonnenstrahlen genießen. Ein winziger Vorgeschmack auf das, was mich noch in meinem ersten argentinischen Sommer erwarten wird.

Nach weiteren 14 Stunden Übernacht-Flug und nörgelnder Betreuung von Lufthansa-Flugbegleiterinnen bin ich endlich mal wieder zuhause und freue mich auf Dinge, die mittlerweile etwas Besonderes geworden sind: Richtiges Brot, Brötchen am Wochenende und gutes, deutsches Klopapier (fragt lieber gar nicht erst. Nur soviel dazu: Gefühlt 0,5-lagig). Man lernt wieder Dinge zu schätzen, die eigentlich alltäglich sind. Eine interessante Erfahrung.

Eine weitere interessante Erfahrung, die ich bislang boykottiert habe, ist die des Trinkens von Tomatensaft in Flugzeugen. Ich mag keinen Tomatensaft und hatte weder die Veranlassung gesehen, daran etwas zu ändern noch dieses Mysterium zu ergründen, warum Tomatensaft in Flugzeugen scheinbar viel besser schmeckt, als sonst. Vor kurzem habe ich eine Studie gelesen, die besagte, dass der Konsum von Tomatensaft zu über 4% in Flugzeugen stattfindet, wohingegen z.B. Orangensaft unter 1% im Flieger verabreicht wird. Welche Fragen ergeben sich hieraus?


  1. Besitzen die Fluggesellschaften zur Abdeckung dieser gigantischen Bedarfe eigene Tomatenplantagen oder Rahmenverträge mit Saftherstellern in aller Welt?
  2. Wer hat die Zeit und das Interesse, solche Studien durchzuführen oder zu lesen??
  3. Was sind nun die eigentlichen Hintergründe des Konsums von zerdrückten Tomaten mit Salz und Pfeffer in den engen Economy-Plätzen im Flugzeug, in denen man sich gut und gerne mit den Knien die Ohren zuhalten kann?

Soweit ich noch weiß, gab es mehrere Gründe, darunter dass ein Flug etwas Besonderes ist, wo man auch mal etwas trinkt, was man sonst nicht kaufen würde (weil es ja eklig ist), oder der pure Neid der Menschen, die unbedingt das trinken wollen, was die anderen trinken. Was bei mir nun der Auslöser war, weiß ich nicht mehr genau, wahrscheinlich aber Grund Nr. 3: Neugierde. Was ist dran an diesem Mysterium? Zumal immer genau dann, wenn der rote Saft serviert wird, heftige Turbulenzen auftreten und man insgeheim hofft, dass die Tellertaxis sich nun hoffentlich gleich den ganzen Saft auf die weißen Blusen kippen, damit das Flugzeug dann aussieht, als sei man zu Gast bei einem Vampirfilmdreh. Nachdem sie beiden Franzosen in den Sitzen neben mir nun ihren „Orange Juice“ bestellt hatten, schaute mich die Dame mit einem Blick an, der zu hießen schien: „Wollen Sie etwa auch was trinken??“ Ich sagte nur „Tomate“. Das Fehlen von Subjekt und Prädikat ließ sie sichtlich zögern, ihre immense Stirn runzelte sich zu einem frisch abgeernteten Rübenacker, sie schob die Oberstudienratsbrille zurecht und fragte dann: „TomatenSAFT?“ Sie hatte mich eiskalt durchschaut. Ich nickte laut und fügte die obligatorische aber grammatikalisch katastrophale Döner-Bestellfloskel „mit alles!“ hinzu (Das „ohne Zwiebeln“ habe ich mir aber gespart). Ich versuchte den Pfeffer unterzurühren, was nur mit Mühe gelang, und probierte. Ich find´s lecker! Ich werde es beim nächsten Flug wieder bestellen! Aber zuhause kaufen? Iiiiiiihhhh…. Nee, lass ma. (Hab den Link noch gefunden)

Zum Abschluss noch ein paar interessante Dinge zum Nachdenken:

  • Letztens ist mir abends nach der Arbeit auf der Ruta Panamericana auf der linken Spur im Dunkeln mittig ein Fahrradfahrer entgegengekommen. Ohne Licht. Ich weiß, diesen Satz muss man 2x lesen… Ohne Worte.

  • Warum ist an Ampelkreuzungen oft die Linksabbiegerspur rechts von den Geradeausspuren?
Ich war bin diese Woche im sonnigen (!) Hamburg und habe mein Studium erfolgreich hinter mich gebracht! Ich bin frei und kann mich nun voll und ganz auf Argentinien konzentrieren!!! :-D

Saludooos!

Dienstag, 4. August 2009

Siga la vaca!

Hola a todos!

Es ist mal wieder Zeit für einen neuen Bericht aus dem winterlichen Buenos Aires, damit die einzelnen Einträge nicht zu lang werden.

Ja richtig, nun ist spürbar Winter. Der Juli war der kälteste Monat in Argentinien, dafür ist es aber auch eigentlich nur zwei Monate im Jahr ungemütlich kalt. Morgens haben wir nun 0°C, auf den Wiesen in den Vororten glitzern die Fußballfelder durch den Raureif, der sich in der Nacht darauf ausgebreitet hat. Wie lyrisch! Der Argentinier stirbt derzeit den Kältetod. Dabei sind die Tage eigentlich trotzdem sehr schön sonnig, und nachmittags sind auch mal 18°C drin. Viele husten und schniefen, und das hat ausnahmsweise dann nicht immer mit der sogenannten Schweinegrippe zu tun. Dieses Schreckgespenst geisterte die letzten Wochen hier täglich durch alle Medien, viele Tausend Infizierte, jede Menge Todesfälle in allen Altersschichten, geschlossene Schulen, etc. Nun ist es mit diesen Nachrichten wie mit allen News: Nach ein paar Wochen sind es keine News mehr und fast vergessen bzw. erfolgreich verdrängt. Die Argentinier küssen wieder, was das Zeug hält (zur Begrüßung). Viel schlimmer ist da die Nachricht, dass die argentinische 1. Fußballliga vielleicht nicht wie geplant am 16. August startet, wenn nicht alle Vereine bis zum 11. ihre Schulden beglichen haben. So eine Fußball-Katastrophe trifft den Argentinier natürlich mitten ins Herz! Wir werden sehen, wie es weiter geht. Der eine hochverschuldete Verein wohnt jedenfalls seit einigen Wochen (!) mit mir hier im selben Hotel... dabei könnten sie sich eigentlich nicht einmal eine Jugendherberge leisten. So sind sie... Mehr Schein als Sein. Und Hauptsache die Haare liegen... Kann man nix gegen ändern...

Ein anderes wichtiges, schon mehrmals angesprochenes Thema ist das Fleisch. Ein paar einheimische Kollegen haben mir aufgetragen, die eine oder andere argentinische Spezialität vom Grill zu probieren. So zum Beispiel Mellojas (sprich: "Meschochas"). Das sei irgendein Stück aus der Nähe des Herzens... naja, man will ja kein Mädchen sein. Also beim nächsten Steak-Abend mal mutig gewesen und Mellojas bestellt. Sah etwas merkwürdig aus... nicht richtig wie Fleisch. Keine Angst zeigen, Fleisch riecht sowas... Die Konsistenz ist sehr gewöhnungsbedürftig, fast glibber-esque. Der Geschmack ist ok! Interessant! Ok, runter damit. Genug Wein zum Nachspülen ist ja da.

Am nächsten Tag habe ich dann mal im Internet nachgeschaut, was ich da nun eigentlich gegessen habe. Die Lösung: Thymusdrüse. Hat schon mal jemand Drüsen gegessen?? Wer genauer wissen will, wo die ist und was die so tagsüber macht, kann mal hier oder da nachschauen. Aber dann werdet ihr es wahrscheinlich nicht mehr probieren. Nichtsdestotrotz sind Mellojas eine der ganz wenigen Fleischarten mit einem hohen Gehalt an Vitamin C! Mir war trotzdem klar, dass ich das nicht wieder bestellen würde.

Eines schönen Tages packte meine Kollegen und mich die Spiel-Lust. Wir sind in den Jumbo-Markt gegangen und haben uns eine argentinische Variante des guten alten „Risiko“ gekauft! So saßen wir dann den lieben langen Abend bei einem Kollegen auf dem Hotelzimmer und haben gespielt Man stelle sich folgende Situation kurz vor: 3 erwachsene Männer in Wohlfühlklamotten, auf dem Tisch mehrere Gläser Wein, dazu eine Weltkarte, auf der kleine Soldaten, Panzer und Flugzeuge stehen. Der Blick der Dame vom Zimmerservice war Gold wert! Wieder unten angekommen hat sie wahrscheinlich so etwas gesagt wie: „Oh nein! Die Deutschen planen wieder was!“. Beim 3. Mal kam dann schon ein männlicher Kollege weil die Dame wohl Angst hatte. Zahlen mussten wir trotzdem. Ich habe daraufhin Lateinamerika besetzt.

Ein paar Abende später war ich zum ersten Mal Gast in einer Restaurantkette, die sich ebenfalls mit dem Grillen von Tieren beschäftigt: „Siga la vaca!“ Zu Deutsch: Folge der Kuh! So einen Grill, in Argentinien Parilla (sprich: Parischa) genannt, habe ich noch nie zuvor gesehen. Hier gehen mehrere Kühe pro Abend drüber… das sah man sofort. Das Prinzip ist einfach und praktisch: Das Fleisch liegt einfach auf der Parilla, man geht hin, zeigt drauf oder nennt etwas und hat es dann auf dem Teller. Kein Bestellen, kein Warten. Dazu eine hervorragende Salatbar für die Beilagen. Quasi ein Fleisch-Fast-Food-Restaurant. Auf dem Gebäude thronen zwei Schlote, die jeder Beschreibung trotzen. Eine Zuckerfabrik wäre stolz darauf. Und die Jungs, die an diesem Grill stehen, kann man auch nur schemenhaft erahnen. Lange Rede, kurzer Sinn: Es war wieder einmal lecker! Und ungesund ist das viele Fleisch auch nicht, denn man isst ja keine fettigen Beilagen wie Pommes oder Bratkartoffeln, auch keine Sahnesoße. Hier komme ich wieder her. „Folge der Kuh“ ist ja schließlich ein Imperativ, dem man sich einfach beugen muss. Und soooviel Auswahl… ich habe Mellojas gegessen.