Freitag, 14. Januar 2011

Argentinische Wartegeschichten... Über Post, Bank und Bus

Ist meine letzte Story wirklich noch aus dem Oktober 2010?? Na dann treffe ich ja genau den Titel der neuen Geschichte, die ich euch dieses Mal feil biete:

Im selben Monat, in dem ich den letzten Bericht verfasst habe, hat meine mich liebende Mutter ein "Pre"-Weihnachtspaket auf die Reise aus dem kalten Hannover in den Hochsommer nach Buenos Aires gebracht. Fast gleichzeitig verließ ein weiteres Päckchen aus dem Hause meiner Schwiegereltern Deutschland und steuerte in exakt die selbe Richtung. Nun, erfahrungsgemäß brauchen Briefe und Karten zwischen 2 und 4 Wochen. Themenwechsel:

Explodierte Gans
Stilvoller Weihnachtsschmuck im Hochsommer
Wie gut hat man es doch in Deutschland: Weihnachten wurde so glücklich gelegt, dass man bis zum Sommer genug Zeit hat, um die Bikini-Figur wieder zu erreichen. Kein schlechtes Gewissen über die Feiertage nötig, nieder mit Gans und Knödeln! Wer jetzt schnell mitgedacht hat, hat das Dilemma bereits erkannt.
Buenos Aires wurde nämlich denkbar schlecht angelegt, und zwar ziemlich gegenüber von Deutschand auf der anderen Erdhälfte, sprich: Weihnachten ereignet sich im Hochsommer, und von fürchterlich kitschigen Plastiktannenbäumen am Pool und aufblasbaren Weihnachtsmännern in dicken Mänteln mal abgesehen, ist doch am schlimmsten von allem, dass man die Weihnachtspfunde direkt über die Badehose und aus dem Bikini quillen sieht. Fair ist was anderes!

Zurück zum Thema:
Ende November waren immer noch keine Pakete angekommen, und da die Eltern ja schon fast alles am Telefon runtergebetet hatten, was in den Paketen sei, war das Warten umso schlimmer, verzehrten wir uns doch schon ewig nach Lebkuchenherzen, Spekulatius und Zimtsternen.
Koffer-Chaos am Flughafen Hannover
Tja, für die Weichnachtswoche ging es dann nach Hause in den Winter zur Familie. Nachdem der Temperatursturz von rund 50°C und der Jetlag von 4 Stunden langsam überstanden war, konnten wir dann schließlich auch unsere Koffer vom Flughafen Hannover eine Woche später als unsere eigene Ankunft am 24.12. abholen. Ja genau, da war ja das Flugchaos...
So haben wir unsere eigenen Winterklamotten schließlich als Weihnachtsgeschenk in Empfang nehmen können (und konnten die ganzen geliehenen Wintersachen unseren Eltern zurückgeben (Wann habt ihr das letzte Mal Unterwäsche eurer Eltern getragen??, Ja, WIR AUCH NICHT!!)).
Weihnachtsmarkt Hannover
Ich finde, um Weihnachten genießen zu können, muss es kalt sein. Gern mit Schnee, auf jeden Fall aber mit Familie, Freunden und Weihnachtsmarkt. Niemals könnte ich den überteuerten, verwässerten und lauwarmen Glühwein vom hannoverschen Weihnachtsmarkt auslassen!
Aber Silvester kann man ziemlich gut bei 35°C mit Pool und Grill verleben. Ich vermisse den wunden Daumen nicht, den man sich beim Anzünden von Wunderkerzen mit vereisten Fingern am niemals gut funktionierenden Feuerzeug holt. Also waren wir pünktlich zum Jahreswechsel wieder im Hochsommer, mit Weihnachtsspeck am Pool (Fair ist was anderes!). Übrigens kauft der Argentinier keine großen Knallerschinken und eine Tüte Raketen wie der Deutsche.
Der Argentinier kauft "Totalzerstörungsboxen" (unsere hieß "Tropical Total Destroy"),  sogenannte Tortas, die so schöne Namen tragen wie Rom, Shanghai und Hannover, und die locker mal 2.200 Pesos (=420€) kosten für immerhin 3 Minuten totale Zerstörung.
Als wir in unserem Viertel ankamen, wurde uns tatsächlich das erste der beiden Pakete übergeben, zusammen mit der Abholkarte für das andere Paket! Themenwechsel:

Mondlandung, al-Quaida, Stoibers Rückzug... es gibt eine Menge Beispiele für eventuelle Verschwörungen, stets mit eindeutig auszumachenden Nutznießern. Ich zerbreche mir seit Tagen den Kopf, komme aber nicht darauf, wer nun letztendlich einen Vorteil aus der offensichtlichen "Kalorienverschwörung" zieht, einer Kooperation der deutschen Süßigkeitenindustriebranche und der argentinischen Post. So wurden unsere Diätpläne und Vorsätze des Jahres schon im Januar torpediert, indem uns erst 3 Monate später und nach Weihnachten rund 12 kg der herrlichsten Weihnachtsleckereien zugestellt wurden. Keine Chance zu entkommen. Aber noch hielten wir das 2. Paket ja nicht in den Händen... zurück:

Das zweite Paket musste ich im Hauptpostamt von Campana, Provinz Buenos Aires, beim Zoll abholen, da dieser wahrscheinlich noch andere Sachen als Kekse und Gummibärchen vermutete. Erste Möglichkeit zur Abholung war Freitag der 31.12.2010 - Silvester. Die Abholkarte wies deutlich die ausgedehnten Öffnungszeiten "Di - Fr von 10:00 - 12:00" aus. Nun war ja Silvester, also rief ich lieber vorher an, um sicher zu gehen, dass auch Silvester geöffnet sei. Nach der Bestätigung machten wir uns auf nach Campana, und nachdem wir nach etwas Suchen dann auch die Post gefunden hatten, hörten wir: "Na vom Zoll ist heute natürlich keiner da."

Nächster Versuch, Mittwoch, 5. Januar. Der freundliche Herr, der mich schon von Silvester kannte, sagte mir, ich hätte gestern kommen sollen. Er verwies auf den Abholzettel und ich verstand: Kleiner Fehler meinerseits. Es hieß garnicht Di - Fr sondern Di & Fr. ARGH!

Am darauffolgenden Freitag war ich dort, mit Abholkarte, Reisepass und Hoffnung, und wurde mir eines Phänomens bewusst, dass man aus Deutschland so auch nicht kennt: Eine riesige Schlange in der Post!
eptilienfreunde muss ich enttäuschen, nein, es warteten locker 50 Leute drinnen und draußen.  So ähnlich wie damals, als die Post noch keine AG war und jeder Ort ein Postamt hatte und jeder Mitarbeiter nur für eine Sorte Briefmarken ausgebildet war. Aufgerufen wird man per Nummer aus den Automaten, die man sonst nur vom Arbeitsamt kennt. Zum Glück stand ich "nur" an der Zollschlange. Nach einer dreiviertel Stunde durfte ich dann rein und mein Paket in Empfang nehmen. Zuhause freuten wir uns dann über jede Menge Weingummi von Hans Riegel aus Bonn sowie feinste Weihnachtsgebäcke. Nicht zu vergessen die Unmengen an Lakritze, die man hier einfach nicht bekommt! Und wohl aus gutem Grund.
Paket-(Kalorien)Bombe
Ich habe noch keinen Argentinier gefunden, der nicht sofort das Gesicht angewidert verzogen hat, nachdem sich der Geschmack der Katzenkinder entfaltet hatte. Man mag das hier einfach nicht.

Wenn der Argentinier eines gut kann, dann ist es Schlange stehen. Ist der Verkehr hier doch sonst ein einziges Chaos, umso organisierter ist das Anstellen an Bank- und Postschaltern. Ja, auch an Geldautomaten stand ich schon 10 Minuten hier an, sowie an Tankstellen, weil gerade einmal wieder das Benzin knapp wurde. Mitunter bekommt man dann nur Sprit für 50 Pesos zugeteilt, rund 20 Mark, rund 10 Euro. Vor 2 Wochen musste ich zu 5 Tankstellen fahren, um zu tanken. Und das, wenn man sowieso schon leicht angespannt ist, weil die Reservelampe bereits seit 5km leuchtet, man die Fenster schon geschlossen und die Klimaanlage ausgeschaltet hat. Übrigens kein Vergnügen bei 32°C draußen! Aber so gibt es beim Suchen erst den richtigen Kick! Dazu empfiehlt der Küchenchef eine musikalische Untermalung von AC/DC oder Linkin Park.
Besonders beeindruckt bin ich immer wieder von den perfekten geformten Warteschlangen an Bushaltestellen. Während sich in Deutschland die Rentner mit den Schülern prügeln, zieht der Argentinier eine virtuelle Wartemarke und stellt sich brav hintereinander an den Bordstein. Sieht irgendwie witzig aus!

Abschließend kann ich sagen, dass ich hier eine neue Gelassenheit gelernt habe, denn warten ist manchmal echt okay. Man hat es doch meistens selbst in der Hand, ob man während dieser Zeit etwas sinnvolles für Körper und Geist tut, ein Buch liest oder die Gedanken einfach mal schweifen lässt, denn wer hat da heutzutage denn eigentlich noch Zeit zu, bzw. nimmt sich die Zeit. Gleichzeitig möchte ich allen Freunden danken, die uns diese neue Gelassenheit nicht krumm genommen haben, als sie bei unserem Winterbesuch eine dreiviertel Stunde auf uns in der Bar gewartet haben, in die wir sie eingeladen hatten. Schön, dass es euch gibt. Bis zum nächsten Mal! Liebe Grüße aus dem Hochsommer!

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