Sonntag, 15. August 2010

Das Garbarino-Erlebnis, oder: Die Kompliziertheit des Seins

Endlich war es soweit, wir hatten uns durchgerungen... ein Traum in weiß, glänzend, vor Power strotzend: Ein Whirlpool! Genauer gesagt eine Whirlpool WFA 900, mit 5kg Fassungsvermögen und 900 Umdrehungen. Die alte Waschmaschine hat schon mindestens 10 Jahre auf dem Buckel, hat zwei Temperatureinstellungen (X?° und 60°), und ist seit längerem nur noch mit dem Schraubenzieher zu öffnen. Da mein Mietvertrag eine Waschmaschine auflistet, muss ich also sowieso eine neue kaufen, denn die Alte ist nun kaputter als beim Einzug. Warum also nicht gleich eine Neue kaufen und selbst noch in den Genuss von 900 RPM kommen?!

Nichts einfacher als das! Ach halt - wir sind ja in Argentinien... Und was mir hier wirklich fehlt, sind Elektro-Großmärtke, genau die, die einem in Deutschland jedes Mal aufs Neue und auf nervigste Art und Weise erklären wollen, dass man ja blöd sei, wenn man wo anders kaufen würde, weil man ja teuer hasst. Wobei die Märkte eigentlich wohl Grammatik und Intelligenz hassen... Aber ich bin auch einer dieser Männer, die stundenlang in irgendwelchen Technik- und Multimedia-Läden herumschlendern können, nur ein bisschen gucken, mit den Fingern halt. So wie Frauen im Schuhgeschäft. So, an dieser Stelle der Schwenk zu Argentinien. Hier gibt es zwar eine relativ große Auswahl in den allgemeinen großen Supermärkten, aber diese mehrgeschossigen, vor Elektrosmog nur so knisternden Hochglanz-Bauten, bei denen sich die Messer in der Schublade regelmäßig nach Norden ausrichten, wenn man in der Nähe wohnt, diese wunderbaren Schöpfungen der Neuzeit sucht Mann hier vergebens. Eine der wenigen Alternativen, die ich bislang kennen gelernt habe, ist Garbarino. Verhalten sich die Verkäufer in den HiTech-Centern Deutschlands ja eher wie Silberfische, wenn das Licht angeht, macht man keine 10 Schritte in einem Garbarino, bis man das erste Mal sehr freundlich angesprochen wird (1*). Hat man sich entschieden, möchte man ins Regal greifen, sich einen Artikel schnappen und ihn triumphierend zur Kasse bringen. Aber hier nicht. Man kann nicht einmal Kleinartikel selbst zur Kasse bewegen.

Hier also der Ablaufplan:

Station 1: Man sucht sich einen Verkäufer seiner Wahl und erklärt ihm, welches Gerät man gern in sein Eigentum übertragen möchte. "Verkäufer" ist allerdings ein falsches Wort, jedenfalls wenn man an die technisch Bewanderten daheim denkt. Die Garbarinos können runterbeten, was auf den ausgestellten Schildchen der Artikel steht, bei Nachfragen ist in der Regel Feierabend. Also sollte man sich vorher gut informieren. Zum Glück hat man 3 Tage (!!!) Rückgaberecht.
Ich zahle immer mit Karte, er zieht sie durch und fragt mich allerhand Sachen, weil die Waschmaschine ja zu mir geliefert werden soll. Warum gibt es eigentlich keine Waschmaschine-2-go? Ich unterschreibe den Abbuchungsbeleg und freue mich auf, dass alles so gut geklappt hat!

Station 2: Ich werde zur Kasse geschickt. Aber ich habe doch gerade schon bezahlt...?! Mit meinem Abbuchungsbeleg also zur eigentlichen Kasse, nochmal EC-Karte und Ausweis geben, wieder warten, und die knapp DIN-A3-große Rechnung in Empfang nehmen. Endlich fertig. Bei diesem Kauf stimmt das, aber als ich beim letzten Mal die Küchenwaage ja nicht nach Hause schicken lassen wollte, ging es also zu...

Station 3: Die Warenausgabe. Selbst der kleinste Artikel wird erst nach den zwei ersten erfolgreich abgeschlossenen Levels des Jump´n´Run-Games an der Warenausgabe ausgehändigt. Ein Mitarbeiter schiebt das Paket über den Tresen, man möchte es strahlend in Empfang nehmen, aber - erst macht er das Paket auf, holt alles heraus, zeigt einem jedes Einzelteil. Ich hatte schon damit gerechnet, dass er mir dann auch ein paar Rezepte für Empanadas herunterbetet. Fehlte eigentlich nur noch, dass er mich nach dem Passierschein A-38 fragt, den man erst nach Ausfüllen des rosa Formulares bekommt.

Karton unterm Arm, vor die Tür, laaangsam durchatmen... alles gut! Naja, die vorhin angeschlossene Waschmaschine, funktioniert nicht richtig, muss den Service anrufen. Aber das ist ok, das habe ich erwartet. Man lernt damit zu leben, dass nichts beim ersten Versuch funktioniert. Bislang musste ich meine Dosis  Blutdruck reduzierender Tabletten nicht erhöhen. Man wird gelassener.

Ein bisschen mulmig ist mir bei dem Auto, das wir vorhin gekauft haben... Naja, wir haben es mit 200 Peso (40 Euro!) angezahlt! Das soll bitte funktionieren. In Deutschland wäre es völlig dämlich einen Neuwagen zu kaufen, wenn man wahrscheinlich nur noch 2 Jahre im Land bleibt. Aber hier ist der Wertverlust minimal, sodass es kaum einen Unterschied macht. Die Inflation trägt ihren Teil dazu bei. Na immerhin hat das Autohaus einen deutschen Werkstattmeister! War das jetzt rassistisch? Nein, ehrlich.

Immer spannend, nie langweilig! Vorgestern habe ich auf der Arbeit einen einheimischen Kollegen getadelt, wie er denn ohne Sicherheitsgeschirr auf den Staplergabeln in mehreren Metern Höhe herumturnen kann... "Was ist, wenn du da runterfällst???" Und er antwortete mit einem Lachen und einem Blick, der seinen IQ zweifelslos unter Zimmertemperatur  einordnen lässt: "Hehehe, ja, genau..." Da heißt es nur Zähne zusammenbeißen und durch. Willkommen im Land, das Verrückte macht!