Dienstag, 30. März 2010

Olli im Krankenhaus

Zu allererst: Es geht mir gut!!! Ich hatte keinen Unfall und bin auch nicht krank...

Wer mich kennt, weiß - ich lebe am Limit! Ok, das ist vielleicht etwas extrem ausgedrückt. Aber auch ich bin nicht frei von körperlichen Gebrechen und trage ein Leiden mit mir, das mich aber keineswegs körperlich und schon gar nicht geistig einschränkt. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe arterielle Hypertonie, oder auf Deutsch: Bluthochdruck, für den ich nichts kann (ich danke an dieser Stelle meiner Familie mütterlicherseits für diese frühe Erbschaft) und der mich außer durch die Einnahme einer winzigen Tablette jeden Morgen in keinster Weise in meinem Tagesablauf behindert. Wir suchen sozusagen die friedliche Koexistenz und respektieren einander. Warum nun Krankenhaus? Ganz einfach, mein importierter Tablettenvorrat ging langsam aber sicher zu neige und so musste ich mich der lokalen Medizin präsentieren um für Nachschub zu sorgen. Durch die positiven Erlebnisse eines Kollegen wusste ich auch schon, wo es für mich hingehen sollte: Das Hospital Austral in Pilar am Rande von Buenos Aires.

So, nun kurz nachdenken... wie sieht es eigentlich aus mit der medizinischen Versorgung in Argentinien? Auf welchem Stand befindet sich die Forschung und Anwendung hier? Werde ich mit verschiedenen Hölzern beklopft werden, muss ich Waschungen und Aderlass über mich ergehen lassen oder gar heidnischen Gottheiten Opfer bringen? Letzteres habe ich schonmal fest einkalkuliert, und zwar in Form von Scheinen an die lokalen, weißen Halbgottheiten. Sei es ihnen gegönnt.
Gut, ich hatte meinen Termin, eine Adresse, einen Namen. Am Tag der Abrechnung fuhr ich auf den Hospitalsparkplatz, der wie vieles hier einmal wieder völlig unterdimensioniert war, bekam mein Parkticket gereicht und fand schließlich eine Lücke. Äußerer Eindruck des Krankenhauses: Heppa!
Dann dachte ich mir, hey, sei doch mal vorbildlicher ausländischer Patient, lass dein Handy mal im Auto.Ein bisschen stolz auf mich selbst schritt ich den langen Weg hinauf zum Eingang, nicht ohne zu bemerken, dass die Entzugserscheinungen schon nach den ersten Metern einsetzten. Ich bin es mittlerweile so gewohnt, das Gewicht eines handelsüblichen Mobiltelefons in meiner vorderlinken Hosentasche zu tragen, dass ich ohne Handy konzentrierte Schritte tätigen muss, um nicht im Kreis zu laufen. Genauso ist es übrigens mit dem Hausschlüssel. Vorteil: Man kann praktisch weder Handy noch Schlüssel vergessen, bevor man aus dem Haus geht, weil man immer sofort wieder an der Haustür ankommt! Gedächtnis 2.0.
Hinein in den riesigen, modern anmutenden Komplex, hin zu den 2 Fahrstühlen, Ziel: 3. OG. Eigentlich gab es 3 Fahrstühle, aber der 3. wird wohl nur zu Feierlichkeiten eingeschaltet. Eindruck von Innen: Hui! Und ich war sogar auf die Minute pünktlich! Der deutsche Patient. Fahrstuhl kommt von unten, öffnet: Voll. Ok, drücke ich auf den linken... Fahrstuhl kommt von unten: Voll. Ok, drücke ich nochmal rechts. Fahrstuhl kommt von oben, öffnet kurz, will weiter nach unten, ich aber nach oben. Also warte ich bis er wieder hoch kommt, öffnet: Voll. Langsam füllt es sich um mich herum... ich ärgere mich langsam über das ebenfalls unterdimensionierte Fahrstuhlangebot. Fahrstuhl links kommt wieder von unten: Voll. Ok, in den nächsten quetsche ich mich rein, sonst gehen mir noch hier vor Ort und Stelle die Tabletten aus. Fahrstuhl kommt, Seite sch***egal: Voll. GRMPF! Schon 5 Minuten zu spät! Ich sehe mich nach dem typischen "Hier-gibt-es-auch-Treppen-für-die-nicht-so-Faulen"-Schild um - vergebens. Kann doch gar nicht sein!! Fahrstuhl kommt: Voll!!! Ich spüre, wie mein Blutdruck steigt... wie lange würde ich das noch durchhalten...?!
Dann durchschaue ich das Spiel und schmiede meinen teuflischen Plan: Der nächste Fahrstuhl der von OBEN kommt, ist meiner! Ich steige ein, fahre runter, unten bleibe ich tapfer stehen, gefühlte 25 Leute steigen ein. Wieder an meiner Ausgangsetage angekommen öffnet sich die Tür, und finstere bekannte Gesichter schauen mich an, während ich Achsel zuckend sage: Voll.

Angekommen in der 3. Etage, schon etwas entnervt, an der Anmeldung vorbei und schließlich wartend im Gang vor meiner Zieltür bemerke ich etwas merkwürdiges. Der Gang ist sehr belebt mit wartenden Menschen, Ärzten, Schwestern und Patienten - ich bin der Einzige, der kein Handy am Ohr hat! Und muss jetzt hier warten und kann nix spielen! Ich ärgere mich wieder. Ich bin sicher, dass die wenigen gesunden Menschen in diesem Hospital spätestens hier einen Tumor vom Elektrosmog entwickeln. Sollten Außerirdische versuchen wollen, die Erde zu zerstören und suchen dafür nach der größten Strahlungsquelle auf unserem Planeten, wird es garantiert ein argentinisches Krankenhaus sein. Ich habe nun auch fest mit Verkäufern von Mobilfunkverträgen gerechnet, die mir meine Wartezeit versüßen wollen. Stattdessen habe ich nur die ausgelegten Prospekte von "Opus Dei" gelesen. Das scheint eine ziemlich erfolgreiche und bekannte lokale Pop-Gruppe zu sein.
Sonstiger Eindruck der Inneneinrichtung: Sehr geschmackvoll, zart-pastellig, durchaus angenehm und beruhigend. Da könnte sich so manche Deutsche Klinik einen Blinddarm von abschneiden (Wenn Sie nicht wissen, ob das gerade lustig war, dann sei Ihnen versichert: Es war!).
So, ich werde hereingebeten von einem sehr freundlichen älteren Arzt, dem man sich sofort aufs Knie setzen möchte und auf einen "Werthers Echte" wartet (halt, die heißen ja jetzt plötzlich "Werther´s Original"! Was ist nur aus unserer Welt geworden...?!). Er fragt mich ein bisschen aus, woher ich komme, wie mir Argentinien gefällt, und so weiter, um das Eis zu brechen. Wir unterhalten uns bestimmt 5 Minuten über alle Vorteile Argentiniens, ich bin mir sicher, dass ein Arzt hier auch nur die Vorteile kennt. Ich kenne vom Sehen her allerdings auch einige Kliniken hier, in die ich um nichts in der Welt eingeliefert werden möchte...! Eine gute Krankenversicherung macht es mir möglich zu wählen - die meisten Argentinier können dies nicht.
Dann kommen wir zum Wesentlichen und nach weiteren 3 Minuten bin ich wieder draußen mit einem Rezept für 3 Schachteln des argentinischen Equivalentes meiner Tabletten. Für den Weg nach unten habe ich dann tatsächlich doch eine Treppe gefunden - ich wollte meinen Blutdruck nicht weiter unnötig mit Fahrstühlen strapazieren. Draußen angekommen begebe ich mich zum Parkhäuschen um mein Ticket zu bezahlen. Der Mann fragte mich, ob ich 5, 7 oder 10 Peso bezahlen möchte. (Kurze Denkpause mit Warteschleifenmusik) Ich bezahle 5 Peso und denke nicht weiter drüber nach. Das Hinterfragen muss man hier einfach irgendwann aufgeben.
Auf dem Rückweg fix zur Apotheke, an die Theke und eine Nummer gezogen. Das ist immer besonders lustig, wenn man der Einzige Kunde am Tresen ist, den Apotheker anlächelt und dann langsam eine Nummer zieht. Ich reiche mein Rezept und er erklärt mir, dass er mir aber nur 2 Päckchen geben kann, weil es ein Gesetz gibt, das besagt, dass Apotheken bis zu 3 verschiedene Medikamente aber zu je maximal 2 Päckchen ausgeben dürfen. (Warteschleifenmusik...) Er hätte auch gerade nur eine davon da, die andere würde er mir durch einen Boten an die Haustür bringen lassen, noch heute Abend. Erstens: Wie wahrscheinlich ist es hier, dass wirklich ein Bote kommt, und zweitens: Wieso weiß sowas ein Arzt eigentlich nicht, wenn er Rezepte ausstellt??? (Geräusch einer Plattenspielernadel, die man quer über die Schallplatte zieht). BUENO.

Aber im Nachhinein bin ich eigentlich ganz zufrieden, um nicht zu sagen stolz auf mich, dass ich es geschafft habe, mich komplett auf spanisch mit einem Arzt zu unterhalten, meine Tabletten nun habe (auch die 2. Packung durch den Boten) und ich erstmal wieder Ruhe habe, bis ich wieder mal ins Austral fahren muss. Beim nächsten Mal dann aber mit Handy und Strahlenschutzanzug, dann kriege ich garantiert auch einen Platz im Fahrstuhl.


PS: In Deutschland leidet etwa jeder zweite Erwachsene unter Hypertonie. Bluthochdruck ist ein stiller Killer und führt unerkannt und/oder unbehandelt oft zu gefährlichen körperlichen Folgen. Den Blutdruck kann man nicht spüren - man kann ihn nur messen. Rund 15 Mio Menschen in Deutschland sind Hypertoniker, 11 Mio wissen davon, aber nur 5 Mio von diesen werden auch richtig behandelt. (Quelle: Deutsche Hochdruckliga e.V.) Knapp die Hälfte aller Todesfälle in Deutschland gehen auf das Konto von Herz-Kreislauf-Erkrankungen – das sind mehr als 400.000 Todesfälle jährlich. Jeder sollte ab und zu seinen Blutdruck kontrollieren lassen, auch bei mir wurde es zufällig entdeckt. Für das Gefäßsystem und das Herz ist dieser Zustand extrem belastend, wie für den Motor eines Porsche, den man dauerhaft im ersten Gang bei 120 km/h fährt. Ungesunder Lebensstil erhöht die Gefahr hohen Blutdrucks, seine Vorbeugung ist dabei relativ einfach:
  1. Blutdruck regelmäß messen
  2. Empfehlungen des Arztes beachten
  3. Normalgewicht anstreben
  4. Alkoholgenuß einschränken
  5. Kochsalz durch Gewürze ersetzen
  6. Reichlich Obst und Gemüse essen
  7. Pflanzliche Fette und hochwertige Öle bevorzugen
  8. Rauchen einstellen
  9. Körperliche Bewegung fördern
  10. Für Ruhepausen und Entspannung sorgen
Die Behandlung von erhöhtem Blutdruck kann wie in meinem Fall eventuell sehr einfach in Form von Tabletten und der Beachtung obiger Ratschläge geschehen. Geht kein unnötiges Risiko ein. In eurem eigenen und im Interesse eurer Lieben. Alles Gute und viel Gesundheit! :-)

Sonntag, 28. März 2010

Deutsche Überlebensstrategie in Argentinien

Man kann ja auch nicht immer nur Fleisch essen...! ;-)


So fühlt man sich auch 11.000km weit weg ein bisschen zuhause...

Donnerstag, 11. März 2010

Enojar a alguien - jemanden aufregen, verärgern, erzürnen

Ich weiß, ich habe mich hier schon oft über die eine oder andere "Kleinigkeit" der Einheimischen besonders im Straßenverkehr aufgeregt, aber diese Geschichte muss ich noch erzählen! Danach kehrt hoffentlich endlich Ruhe ein... :-)

Wer mich kennt, weiß, dass ich nicht so leicht auf die Palme zu bringen bin, eher die Ruhe in Person, wenn andere bereits zielorientiert mit Barhockern auf den Tresen klopfend ihren Unmut zur aktuellen Musik zum Ausdruck bringen. Ich denke mir eher: Was bringt das Aufregen, das Schimpfen im Auto, das Brüllen am Telefon, das Nörgeln in der Kassenschlange?! Denkt an euren Blutdruck. Es geht dadurch weder schneller, noch macht man sich Freunde. Aber was an diesem Tag geschah, hätte ich mir an Dickfelligkeit nie ausmalen können... so denn:

Es begab sich also zu der Zeit, dass mal wieder ein Einkauf anstand. Der Einkaufswagen, hier liebevoll "Carrito" genannt, war schon relativ voll, als mein Mitesser (mein mitbewohnender Kollege) und ich uns aufmachten, die ideale Kasse zu finden. Die Auswahl der "richtigen" Kasse unterliegt dabei einer ganz klaren Definition persönlicher Präferenzen, z.B. Schlangenlänge, Füllgrad der jeweiligen Einkaufswagen, Anzahl der Personen über 60, Kommunikationsbedürftigkeit des Kassierpersonals, und viele mögliche weitere Faktoren spielen dabei eine Rolle. Ich halte es mir da lieber simpel, suche ich mir doch einfach die Kasse mit der hübschesten Kassiererin. Mann darf nicht vergessen, es gibt hier in Argentinien rein objektiv ziemlich viele Latinas... An dieser Stelle ein freundlicher Gruß an meine hübsche, blonde Frau: Du wirst noch bedauern, was du hier bei den Latinos auslösen wirst...! ;-)

Die ideale Kasse gefunden, eine Dame mit Kind auf dem Arm beim Bezahlen, nur ein Pärchen mit Wagen vor uns - perfekt! Eigentlich läuft es hier, wie bei den Kassen mit Fließbändern in Deutschland: Man parkt den Wagen vor dem Band, positioniert sich dann direkt neben Wagen und Fließband und überträgt die Güter auf das selbige, fein säuberlich getrennt durch die auch hier etablierte Einkaufswarendistanzierungsbarriere (Damit ist umgangssprachlich der Konsumgüterpossessivseparator gemeint). Nachdem der schon etwas ältere Herr und seine Partnerin, wahrscheinlich Tochter, nun ihren Wagen entladen hatten, schritten sie voran an die Kasse - und ließen ihren Wagen stehen. Vor dem Fließband. Genau vor uns. Ich konnte es nicht glauben... Wir haben uns noch darüber lustig gemacht... darauf guckte er mich noch komisch an. Ich wies meinen Kollegen an, doch mal vorsichtig aber bestimmt den leeren Wagen nun neben das Band und unmissverständlich in Richtung dieser Herrschaften zu schieben, so dass er dann in dem schmalen Gang genau hinter ihnen stand. Darauf schaute er nochmal auf den Wagen und auf mich, nach dem Motto:"Hä?". Nun war ich gespannt, was passieren würde, wenn der Bezahlvorgang abgeschlossen sein würde. Er könnte ja dieses deutliche Zeichen unmöglich ignorieren, dachte ich noch so mit meinem letzten Funken Hoffnung im Knopfloch. Ich wurde misstrauisch, als die Dame die Waren schon in ungefähr 25 Plastiktüten auf sämtliche Arme verteilt hatte und auf die Rückgabe des Geldes an ihn wartete. Und danach gingen sie einfach weg. Der Einkaufswagen stand mitten im Gang, stand direkt neben ihm! Jetzt wurde ich das erste Mal in einem Laden laut und rief ihm hinterher:" Permiso...!", was auf deutsch ungefähr soviel bedeutet wie:"Du hast deinen Einkaufswagen vergessen, du blödes, argentinisches Arschl***!!". Er drehte sich nochmal mit einem Blick um, der völliges Unverständnis für die Situation offenbarte. "PERMISO!!" Mein Kollege deutete mir, ich solle es doch einfach gut sein lassen... und weg waren sie... Ich schob den Wagen dann sauer aus dem Gang und schritt zum Bezahlen vor. Die Kassiererin schob mir einen Blick über das Fließband, der irgendwo zwischen "Leute gibt´s!" und "Was hast DU denn??" lag. Ich glaube, dass dieser Typ sich wirklich nicht im geringsten eines Fehlers bewusst war. Er macht das wahrscheinlich immer so. Ich meine, auf dem Parkplatz einen leeren Einkaufswagen einfach hinter ein fremdes Auto zu stellen ist eine Sache, aber DAS, direkt vor uns?! Das war zuviel für mich. Und ich merke auch jetzt wieder, wie mein Blutdruck steigt... und ich denke: Darüber rege ich mich gerne auf! Das macht sogar Spaß!
Im Auto haben wir dann besprochen, wie wir beim nächsten Mal auf solch eine Aktion reagieren: Wir werden die Sache als Good-Cop-Bad-Cop-Act aufziehen. Ich werde brüllen und zetern und auf den Typen zurennen, während mein Kollege mich zurückhält. Dafür müssen wir dringend noch "Er ist es nicht wert!" und "Du bist gerade erst wieder draußen! Er weiß es nicht besser!" auf spanisch lernen. Ich freue mich schon auf meinen nächsten Einkauf...